„Verschwende nie eine gute Krise; sie gibt uns Gelegenheit, große Dinge zu tun.“ Man schreibt diesen Satz dem einstigen Premierminister Winston Churchill zu, der deutlich macht, dass Krisen in ihrer Bedrohlichkeit für Unternehmen auch besondere Chancen bieten. Veränderungen in der Auftragslage, von Märkten und Kundenbedürfnissen, Verknappung von Ressourcen, Herausforderungen in der Lieferkette oder Produktion können Schwachstellen zu Tage bringen, die in guten Zeiten nicht sichtbar oder deren Beseitigung nicht von Priorität waren. Die Veränderungen am Markt oder von Märkten an sich schaffen neue Möglichkeiten und Potentiale. Sobald man also die Schwachstellen erkennt oder die bevorstehenden neuen Möglichkeiten, entsteht eine empfundene Dringlichkeit, ein absolutes Bedürfnis, Veränderungsprozesse ernsthaft einzuleiten.

Ich bin seit Anfang 2022 Teil des Unternehmens – in etwa zu diesem Zeitpunkt hatten wir das Gefühl, die Gesundheits-Krise in den Griff zu bekommen, ehe die politische Krise Unternehmen weltweit vor neue Herausforderungen gestellt hat.

Somit wurden ebendiese Teil meiner neuen Aufgabe in der Anovis. Nach ca. 3 Quartalen mache ich hiermit eine Momentaufnahme, um diese im Sommer 2023 dann noch einmal kritisch zu würdigen.

Für mich lassen sich bislang 5 Prinzipien oder Zugänge erkennen, durch eine Krise gestärkt zu manövrieren.

Markus Guttenberg

CEO, anovis it-services-and-trading gmbh

1. Standardmaßnahmen sind nicht das richtige Werkzeug für Nicht-Standard-Zeiten

Ich würde behaupten, dass der übliche Weg durch eine Krise über eine frühzeitige Kostensenkung führt. Ein breiter Strauß an Reduktion, Stoppen und Einfrieren von Ressourcen und Projekten. Als Geschäftsführer bin natürlich auch ich belegt mit Zielen und Vorgaben und somit keinesfalls Feind des Unternehmens-Ergebnisses. Ich ergebe mich auch nicht der Illusion, dass rückläufige Umsätze, steigende Kosten und ein zu geringes Ebitda mich auf Dauer am Steuer des Unternehmens lassen – keine Sorge. Für mich war und ist es eine Frage, wann der richtige Moment ist, mehr zu investieren. Von Jänner bis Oktober haben wir die Woman- und Man-Power um ca. 20 Personen (knapp 30%) gestärkt und aktiv neue Rollen und Funktionen geschaffen. Ja, es gibt eine Kosten-Reißleine – diese soll allerdings äußerst spät zu tragen kommen – falls wir sie denn brauchen. Weil eine Frage muss man sich dennoch stellen: Wie groß ist das Risiko des Nicht-Investierens?

2. Visualisiere die Zukunft und du bist sie schon zur Hälfte gegangen

Egal ob wachsender Markt oder Verdrängungsmarkt, es gibt immer Chancen. Ganz besonders dann, wenn Bedürfnisse der Kunden sich ändern, öffnen sich neue Märkte und es werden die Karten bestehender neu gemischt.

Das Wichtigste daran ist es, sich die Zeit dafür zu nehmen, und die Möglichkeiten zu formulieren und zu visualisieren. Wie könnte das für das Unternehmen relevante Umfeld in Zukunft aussehen?

Für Anovis und unser Service-Angebot ist länger schon klar: Managed Services im Network/Connectivity und Security-Bereich. Was wir in der ersten Hälfte des Jahres formuliert haben, sind im Wesentlichen 3 Schwerpunkte:

Fokus auf SDWAN
Die Substitution von MPLS-Standort-Vernetzungen schreitet voran; wir gehen davon aus, dass bis 2025 software-defined WAN die installierte Basis oder Legacy zu überholen.

Fokus auf Security Monitoring & Incident Response
Wir sehen einen zukünftig stark wachsenden Markt zwischen klassischer Netzwerksicherheit und einem ausgewachsenen Security Operation Center.

Global Service Desk Dienstleistungen stärken und ausbauen
Auch im Bereich des Network Operation Centers sehen wir großes Wachstumspotential im In- und Ausland.

Als wir das für uns im Management skizzieren und visualisieren konnten, ging es plötzlich etwas besser. Haben sich Herausforderungen von selbst gelöst? Nein – aber mit der Klarheit, wo es hingehen soll, haben sich verkrampfte, blockierende und hemmende Bestandteile, Situationen und Stimmen gelöst und es wurde leichter und auch ein bisschen schneller.

3. Erweitere deine Perspektive, verändere den Blickwinkel

Das Verändern der Denkweise und Perspektive hilft meiner Ansicht nach immer in einem Problemfall. Kostensenkungen alleine hingegen begrenzen nicht das Risiko einer Krise. Hier tauscht man möglicherweise nur Überkapazitäten gegen das spätere Problem einer Unterdimensionierung. Ich bin davon überzeugt, dass man den üblichen Top-Down-Ansatz (KPIs, Benchmarks & Prognosen geben den Weg vor) mit gleichem Risiko bewerten kann, als einen Bottom-Up-Ansatz, bei dem man das gesamte Team aktiv einbindet. In der Anovis haben wir im Frühsommer eine Befragung unserer Mitarbeitenden gewagt, die einerseits sehr aufschlussreich hinsichtlich Zufriedenheit und Bedürfnisse der Mannschaft war, und andererseits auch Schwachstellen und (!) Lösungswege, sowie neue, innovative Ideen aufgezeigt haben. An den heutigen Schwachstellen und innovativen Ideen arbeiten wir bereits. Damalige Key-Learnings in Bezug auf das gesamte Team waren für mich:

1. Frischer Wind durch neue Mitarbeitende unterstützt und motiviert

2. Eine klare, direkte und transparente Kommunikation motiviert und stärkt das Team-Gefüge

3. Intensiv diskutierte Themen der Gesellschaft (z.B.: Frauen im Management, Employer Branding, Diversity) funktionieren ohne große Programme, PR oder angeordneter Kommunikation!

Dazu ein ganz kleiner Blick ins Anovis Nähkästchen: 80-köpfiges Team, 40% Frauen im Technik-Management, sehr hohe „Team-Member-wirbt-Team-Member“-Quote, ein interner NPS von 26 – trommeln wir nicht laut, freut uns aber trotzdem.

Einen wichtigen Blickwinkel bringt uns natürlich der Kunde – gerne ein Kunde, der auch einmal nicht zufrieden war mit uns – auch da freut es mich, dass wir uns in den letzten Monaten ganz besonders im Global Service Desk die Qualität noch verbessern konnten.

4. Priorisiere und fokussiere im Produktportfolio

Veränderte Rahmenbedingungen am Markt erfordern einen intensiveren Blick auf das Produkt-Portfolio. Wir wollen einerseits am bewährten Geschäft, mit bewährten Partnern festhalten. Über Jahre sammeln sich jedoch immer mehr Services und Produkte an, die jedes für sich dann doch wieder unterpriorisiert behandelt wird. Ein Rütteln und Schütteln der Portfolio-Box macht Sinn und wurde in unserem Fall vor kurzem gestartet. Was sind die Kernservices? Was sind die „Portfolio-Cash-Cows“? Wo liegen unsere Stärken? Wo und wie lassen sich die „Rising-Stars“ von morgen identifizieren? Aktuell befinden wir uns noch in der Detail-Evaluierungsphase (von rund 40 Services) und der individuellen Bewertung dieser, aber die Stoßrichtungen sind klar:

    Fokus auf SDWAN
    Mit den bewährten Lösungen auf Basis Barracuda und Velocloud, sowie seit kurzem mit 128 T (dem möglichen Gamechanger aus dem Hause Juniper – mehr dazu in Kürze!).

    Fokus auf Network Security Monitoring
    Für Kunden, denen ein umfassende SOC-Lösung (Security Operation Center) zu groß oder zu kostenintensiv oder beides ist. Auch dazu gibt es in den kommenden Wochen mehr und weitere Informationen.

    Global Service Desk Dienstleistungen stärken und ausbauen
    Wir sind mit unseren Kunden in über 100 Ländern aktiv, und bieten insbesondere First- und Second-Level-Support.

    Kern-Legacy-Services (rund um Firewall, Connectivity, usw.) bleiben unangetastet, Services, die länger hinter den Erwartungen blieben werden zurückgestellt. Trotzdem bleiben wir wachsam und setzen gezielt auf innovative Services und auch Nischenlösungen, z.B.: Cybertrap, Airlock, Advenica, oder einem Service, das die Welt von SAP und Microsoft Azure Sentinel deutlich näher rücken lässt – mehr dazu noch vor Jahresende.

    Manche offenen Entscheidungen konnten wir zwischenzeitlich treffen (im Firewall-Umfeld haben wir nach einem längeren Auswahlverfahren die Partnerschaft mit Palo Alto fixiert).

    5. Rasch und aktiv handeln, klar kommunizieren

    Letzter Punkt ist für mich ein durchwegs wesentlicher im Management, in der Führung im Allgemeinen. Da sehe ich natürlich keine besondere Ausnahme in Krisen-Zeiten. Kurze Entscheidungswege und direkte, klare Kommunikation sorgen für Verständnis und Klarheit. Diese Klarheit führt zu Sicherheit und Motivation. Den Unterschied könnte man möglicherweise aber wie folgt sehen:

    In „normalen Zeiten“ – wie auch immer diese sich definieren – führt die Klarheit vielleicht zu einer Ratio Sicherheit:Motivation von 30:70 – Motivation steht im Vordergrund, das Gefühl mitzuwirken, Teil des Ganzen zu sein macht Spaß, erfüllt. Die Wichtigkeit von Sicherheit macht sich in Krisenzeiten dann schon mehr bemerkbar. Hier schwenkt die genannte Ratio dann vielleicht in Richtung 50:50 oder 70:30. Der Mensch ist ohnedies besorgt, ob der aktuellen Themen, braucht in dieser Phase aber deutlich mehr an Sicherheit als an Grundmotivation. Ein vielleicht etwas hinkender Vergleich ist jener einer Reise, eventuell mit einem Fahrzeug und einem Routenplan und einem klaren Ziel. Bei lustiger Fahrt, gutem Wetter, gut ausgebauter Infrastruktur überwiegen Vorfreude, Spaß – führt die Route (die immer noch ganz klar und direkt vom Navi kommuniziert wird) dann durch unwegsames Gebiet, durch dunklen Wald, kaum asphaltiert, so konzentriert man sich vielmehr auf Sicherheit. Sicherheit heil anzukommen. Das Navi, also das Weisen der Richtung ist in beide Situationen wichtig und wird meiner persönlichen Meinung in vielen Unternehmen etwas unterschätzt.

    Ich für meinen Teil hoffe, der Reise der Anovis ein guter Wegweiser zu sein, und freue mich darauf, gemeinsam mit Ihnen, lieber Kunde/liebe Kundin, diese Reise gemeinsam zu machen.